impulse4travel 2012 – 25 Thesen

Perspektive: Konsumenten

 

These 1: Fragmentierung im Quadrat: Hybrider Kunde multipliziert sich mit segmentierten Märkten

Das Modell des hybriden Kunden ist eben so wenig eine Neuigkeit wie die Antwort der Märkte in Form einer starken Segmentierung. Die Vielfalt der Urlaubsformen nimmt zu. Neben Produkten die ein spezifisches Interesse in den Vordergrund stellen, sind auch neue Reiseformate wie eine Produktprobe, ein Vorab-Erleben, eine Ultra-Kurz-Reise oder sogar eine virtuelle Reise ohne Ortsveränderung denkbar.

Die große Anzahl der Möglichkeiten Angebot und Nachfrage zu kombinieren ist eine Herausforderung, die mit Hilfe aktueller technologischer Entwicklungen möglich wird. Neue Modelle z.B. auf Basis von Algorithmen, ermöglichen eine viel gezieltere Steuerung der Anbieter und Nachfrager, so dass es möglich wird die „Chancen der Vielfalt“ zu beherrschen. Wichtig ist dabei, dass Kunden eine Personalisierung wollen, ohne ständig mit deren Möglichkeiten und Prozessen konfrontiert zu sein – die Filter und Dienstleister im Hintergrund müssen funktionieren ohne für den Kunden direkt sichtbar zu sein.

 

These 2: Verschmelzung von Urlaub und Arbeit durch mobile Arbeit und Instant-Urlaub

Die technologische Welt besteht aus Prozessen der Verkleinerung und Beschleunigung. Chips, Speicher und damit Handys und Computer werden tagtäglich kleiner, leichter und flexibler. Dieser Prozess beeinflusst zwei Aspekte des Urlaubs: Zum einen ist das die technologische Grundlage für eine Vermischung von Berufswelt und Freizeitwelt während des Urlaubs. Urlaub kann, beispielwiese ausgehend von mobilen Endgeräten, durchsetzt sein von Arbeitszeit.

Auf der anderen Seite kann die Arbeitswelt  von Freizeitelementen unterbrochen sein, was in Bezug auf Urlaub Instant-Erlebnisse im Kontext der Arbeit notwendig macht. Dies stellt auch die zweite Perspektive des oben genannten Prozess dar: Wie können Urlaubserlebnisse verkleinert werden, so dass diese die gleiche Intensität haben, aber kleiner leichter und flexibler in die Arbeitswelt mitgenommen werden können. Kunden möchten während Arbeitszeiten in ihrer direkten räumlichen Nähe Urlaubserlebnisse jederzeit konsumieren können.

 

These 3: Menschen vor Angebotsdaten und Destinationen

Menschen reisen gerne mit Menschen und auf menschliche Art und Weise. Der Verkauf von Urlaub ist bisher stark geprägt von „harten“ Eigenschaften des Urlaubsprodukts: Zielgebiet, Hotelausstattung, Sternekategorien. Urlaubserlebnisse werden aber selten von der Infrastruktur ausgelöst, sondern von den Menschen und Mitreisenden vor Ort. Die Community vor Ort (Reisende, Einheimische und Anbieter) prägen zukünftig Reiseerlebnisse in den Köpfen der Urlauber –
touristische Hardware wird als Basisfaktor von den Konsumenten vorausgesetzt.

Über soziale Netzwerke ist es leichter, einen losen Kontakt zu sympathischen Menschen zu halten. Entsprechend kann jede Person in einem räumlich nicht beschränkten Umfeld ihr individuelles Freundesnetzwerk aufbauen und erhalten – Freundschaften und Kontakte aus dem Urlaub können so erhalten werden.

Die Reiseentscheidung wird ausgelöst oder verstärkt durch die (virtuelle) Peer Group bzw. den persönlichen Kontakten aus sozialen Netzwerken. Soziale Netzwerke geben die Antwort auf die Frage: „wann fährt welche Person wohin in den Urlaub und besteht die Möglichkeit diese Zeit gemeinsam zu verbringen?“. Nicht die touristische Ausstattung bestimmt das Urlaubsziel, sondern die Kristallisationspunkte an dem ausgewählte Multiplikatoren des eigenen Netzwerks  ihren Urlaub verbringen.

 

These 4: Hot or not? Konsumenten bewerten radikaler und fordern Bewertungen

Der Kunde muss bis jetzt zu seiner Meinungsäußerung gezielt ein spezielles Bewertungsportal besuchen und dort seine Meinung veröffentlichen. Zukünftig werden nicht nur diese Bewertungen bei der Urlaubsentscheidung einfließen, sondern auch explizite und implizite Äußerungen auf diversen Plattformen im Netz – seien dies Facebook Posts oder Reiseberichte anderer Gäste. Das führt zu einem vielschichtigen Bild des jeweiligen Objektes oder der jeweiligen Destination. Die Basis dafür ist die Weiterentwicklung entsprechender Dienstleistungen und Technologien im Bereich Social Media, Search und Semantik.

Damit werden die Vorteile von Bewertungen und dezentral verteilten Kundenmeinungen gegenüber bestehenden, eindimensionalen Zertifizierungen einzelner Institutionen weiter wachsen und sich das Gewicht weiter in diese Richtung verschieben. Anbieter müssen sich diesen Mechanismen der Transparenz und Meinungsäußerung anpassen, um am Markt weiterhin Bestand zu haben. Kunden betrachten Bewertungen und Empfehlungen als Standard bei der Inspiration und Planung im Reisebereich. Ohne Bewertungen und Kundenmeinungen zu Produkten erzielen touristische Anbieter keine Konversion zu Buchungen.

 

These 5: Opinion Leader sind neue digitale Leuchttürme; Marken bleiben Wegweiser

Die Netzwelt hat über Jahre eine Polarisierung von virtuellen Opinion Leadern und der Markenwelt aufgebaut. Die Teilnehmer der Diskussion sprachen lange Zeit davon, dass Opinion Leader Marken ersetzen werden und Marken durch das Social Web an Bedeutung verlieren werden.

Letztendlich sind beide aber Orientierungspunkte bzw. werden von Kunden als Orientierungspunkte bei der Kaufentscheidung gesehen. Jedes Konzept hilft auf seine Art dem Kunden die Komplexität zu reduzieren und ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens im entscheidenden Moment zu geben. Sowohl Marken als auch Opinion Leader können Teil einer, oder gar identifikationsstiftendes Element in einer Peer Group sein. Beide Konzepte führen bei erfolgreicher Umsetzung zu einem höheren Ertragspotenzial auf Anbieterseite im Tourismus.

 

 

Perspektive: Unternehmen & ihre Kunden

 

These 6: Nach dem Hotelsterben ist vor dem Hotelsterben: Peer to Peer Business Modelle werden sich weiter in der Touristik etablieren

Menschen reisen gerne zu Menschen. Was nach dem 2. Weltkrieg mit dem Begriff „Fremdenzimmer“ begonnen hat, findet seine Renaissance in Plattformen wie Couchsurfing oder AirBnB. Gäste schätzen es wieder bei Einheimischen zu Hause ihren Urlaub zu verbringen und dadurch individuelle Übernachtungserlebnisse und Tipps von Einheimischen geboten zu bekommen. Die anonymen Hotels mit der Massenware Übernachtung bieten eine erfolgreiche betriebswirtschaftliche Antwort auf das Bedürfnis Schlafen und standardisierte Qualität, aber sind – bei gleichen Kosten – nur selten in der Lage individuelle und einzigartige Erlebnisse für den Gast zu produzieren.

Collaborative Consumption ist in den letzten Jahren mit dem Thema Übernachtung bekannt geworden, setzt sich aber aktuell auf andere Dienstleistungen fort. Jede Person hat heute die Möglichkeit individuelle Dienstleistungen und Erlebnisse anderen Personen im Internet anzubieten und zum touristischen Leistungserbringer zu werden. Neue Plattformen und Unternehmen im Internet ermöglichen die weltweite Vernetzung dieser individuellen Anbieter und Nachfrage in verschiedensten Nischen. Ohne digitale Technologien konnte diese Herausforderung früher nicht gelöst werden und die „Fremdenzimmer“ wurden von größeren Einheiten abgelöst.

 

These 7: Always on abroad – Connected Standby für Reisende

Mobile Endgeräte erlauben fast alle denkbaren Funktionen und Anwendungen. Mobilfunkanbieter bieten bereits heute erste weltweite Datenverträge an. Kunden haben heute nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch ein ausgeprägtes Bedürfnis immer und überall online zu sein.

Reiseanbieter sind gezwungen eine entsprechende Infrastruktur vor Ort zu schaffen. WLAN-Netze in kompletten Hotelanlagen und während Freizeitaktivitäten außerhalb des Hotels, sind ebenso wie die enge Zusammenarbeit von Reiseveranstaltern mit internationalen Mobilfunkprovidern erste Schritte in diese Richtung. Für die Finanzierung der Infrastruktur wird es zukünftig neue Modelle und Motivationen geben.

Die Vernetzung des Gastes mit der Onlinewelt während seines Urlaubs erleichtert den touristischen Anbietern das Aufbauen von Netzwerken unter den Gästen und infolge dessen eine Erhöhung der Kundenbindung. Durch das Ausliefern von Werbung vor Ort, zum Zwecke des Upsellings, profitieren Reiseveranstalter von höheren Margen pro Kopf und Reise.

 

These 8: Big Data in neuen Medien ermöglicht zielgenaue Kundenansprache

Aufgrund mangelnder durchgängiger Kundenhistorien, bedingt durch sprunghaften Konsum über verschiedene Anbieter, sind Firmen zunehmend gezwungen sich Daten über ihre Kunden durch das durchdachte Aggregieren  von Daten aus der Cloud zusammenzustellen – Webseiten, eigene und fremde Social Media Kanäle sowie weitere Plattformen.

Die gewonnenen Daten aus der Cloud werden mit intelligenten Mechanismen ausgewertet, um Customer Relationship Management zu betreiben und dem Kunden relevante maßgeschneiderte Angebote anzubieten. Diese Daten übertreffen die Möglichkeiten klassischer CRM-Systeme bei Weitem und ermöglichen völlig neue Annäherungen an den Kunden.

 

These 9: Der Kunde will gläsern werden: Tausche mich gegen Mehrwert

Datenschutz und die Wahrung der Persönlichkeit sind ein wichtiges Gut. Dennoch sind Kunden jetzt schon bereit, für einen entsprechenden Mehrwert Daten von sich Preis zu geben. Dieser Trend wird zukünftig verstärkt werden, denn aus der These „Fragmentierung im Quadrat“ wird ersichtlich, dass eine genaue Personalisierung der Angebote notwendig ist, um die Anforderungen der Kunden richtig bedienen zu können.

Immer dort wo die Kunden einen Mehrwert erkennen und wahrnehmen, werden sie bereit sein, den Unternehmen Daten zu Verfügung zu stellen. Die Kunden, die mit der Vielzahl der Kaufmöglichkeiten überfordert sind, brauchen diese datenbasierten Systeme zur Unterstützung bei der Kaufentscheidung.

 

These 10: Social Media betrifft alle im Unternehmensnetzwerk

Social Media ist so präsent in der Mediennutzung und Medienkultur geworden, dass eine Trennung privater und beruflicher Nutzung  kaum noch aufrechterhalten werden kann. Damit betrifft das Thema viele Mitarbeiter im Unternehmen. Alle Mitarbeiter wollen und dürfen sich im Sinne von Social Media Guidelines – im Unternehmen zu erarbeitenden Leitplanken – in Social Media für das Unternehmen engagieren.

Um vom Kunden mehr Wertschätzung für den Aufwand im Zuge der Erbringungen von Dienstleistungen seitens touristischer Unternehmen zu erfahren, treten die Mitarbeiter gekoppelt an die Teilprozesse nach außen und werden für den Kunden sichtbar – auch über Social Media. Somit kann der Kunde zudem direkt in die Produktion von Urlaubserlebnissen einbezogen werden.

 

These 11: Experience Manager machen Reiseanbieter zu Endorphin-Dealern

Experience Manager designen perfekte Kundenerlebnisse von der Inspiration über Marketing, Sales und Reisedurchführung bis zur Nachbereitung: Jeder Touchpoint in Form von Dienstleistungen oder Infrastruktur des touristischen Unternehmens und seines Angebotes wird aktiv und zielorientiert designt. Es geht um ein durchgehendes Reiseerlebnis aus Sicht des Gastes, nicht mehr um das bloße Zusammensetzen und Paketieren von Reisebausteinen.

Dieses integrierte Reiseerlebnis dient der Differenzierung gegenüber anderen Anbietern im Markt. Dadurch, dass weniger die einzelnen Reisebausteine als vielmehr deren dramaturgische Verkettung zu einem Erlebnis im Vordergrund steht, verschieben sich die Faktoren zur Beurteilung von Qualität und Erfolg: nicht mehr traditionelle Qualitätsmaßstäbe touristischer Angebote bestimmen den Erfolg, sondern der durch Erlebnisse beeinflusste Endorphinhaushalt der Gäste. Ist der Gast glücklich, steigen Markenwert und Marktdurchdringung der touristischen Anbieter.

Ein Chief Experience Officer entwickelt dieses neue strategische Geschäftsfeld und ist für das Recruiting passender Fachkräfte konzeptionell verantwortlich. Eine enge Koordination des Chief Experience Officers mit dem Marketing, Vertrieb und Produkt ist unabdingbar, um auch in den Erlebnissen vor der Reise sowie  während der Reise vor Ort ständig die Marke spürbar zu machen und infolge dessen zum Kunden zu transportieren.

 

 

Perspektive: Unternehmensorganisation

 

These 12: Geschlossene Unternehmen gehen unter – offene Wertschöpfungsnetzwerke leben

Unternehmen wenden sich ab vom Bilde der streng abgegrenzten, innerlich nach Hierarchien und klassischen Strukturen gegliederten Einheiten. Unternehmen der Zukunft verstehen sich selbst und zugleich ihre Einbettung in umgebende Strukturen als dynamisches, offenes und systemisches Netzwerk. Nur durch solche flexiblen Strukturen können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen zukünftig bewältigt werden.

Damit wird es möglich Mitarbeiter des Unternehmens genauso wie Partner, Kunden oder externe Spezialisten bedarfsorientiert und flexibel in bestehende Aufgabenstellungen einzubinden. Ehemals originäre Unternehmensaufgaben werden vom Kunden und Partner, unter anderem in den Bereichen Kundensupport, Produktentwicklung, Werbung, Kommunikation und Vertrieb, übernommen.

 

These 13: Unternehmen müssen dauerhafte Gründe liefern, ihr Unternehmensnetzwerk liebenswert zu machen

In einem Umfeld des “war for talents” und medial induzierter Transparenz auf dem Arbeitsmarkt braucht es klare und dauerhafte Anreize für Mitarbeiter und externe Akteure zu einem Wertschöpfungsnetzwerk beizutragen und sich mit diesem zu identifizieren.

Anreize für Zugehörigkeitsgefühl und Beitrag zum Netzwerk sind nicht mehr nur wirtschaftliche Attraktivität sondern zunehmend Bestandteile, die einen Sinn stiften: eine klare Vision und eine Kultur mit gelebten und überzeugenden Werten. Kreative Wissensarbeiter, High Potentials und Individualisten werden sich ihre Netzwerke danach aussuchen. Je klarer diese Vision und Kultur im Netzwerk gelebt und transportiert wird, desto höher wird der langfristige wirtschaftliche Erfolg eines darin angesiedelten Unternehmens sein. Deshalb sollten Vision und Kultur die aktive Auswahl der Netzwerkakteure stark beeinflussen. Ebenso sind Offenheit und Transparenz zukünftige Erfolgsfaktoren von Netzwerken: Menschen von denen Netzwerke lernen, wollen im Netzwerk auch selbst lernen können.

 

These 14: Dynamische Wertschöpfungsnetzwerke verlangen nach neuer Infrastruktur

Offene Technologien und Social Media, sowie eine neue Kultur der Kollaboration, unterstützen und beschleunigen den Wandel vom klassischen, hierarchischen Unternehmen mit Abteilungsstrukturen hin zum dynamischen Wertschöpfungsnetzwerk. Hierarchiebedingte Statussymbole und Symboliken werden in diesen Netzwerken durch eine aufgabenbezogene Sachorientierung und stufenweise Gleichstellung der Akteure verdrängt.

Bürogebäude sowie virtuelle und physische Infrastruktur müssen sich wandeln und dem Bild von Unternehmen als sich ständig wandelnde

Netzwerke Rechnung tragen. Das Verständnis von Infrastruktur verlagert sich weg von Einzelarbeit und geschlossenen Abteilungen hin zu neuen Raum- und Infrastrukturkonzepten, welche zugleich Kommunikation und Wissensmanagement im gesamten Netzwerk begünstigen. Nach innen übernimmt Social Media und Software eine tragende Rolle beim Austausch und der Kommunikation sowie  der  Organisation im Unternehmensnetzwerk.

 

These 15: Schnelle Märkte brauchen schnelle Planung und Entscheidung

Klassische Modelle der Planung, Entscheidung und Umsetzung sind angesichts der gestiegenen Agilität von Märkten und des disruptiven Aufstiegs neuer Marktteilnehmer zu starr und langsam. Schnellere immaterielle und materielle Muster der Planung, Entscheidung und Umsetzung sind unabdinglich.

Entscheidungskompetenz und –freude, delegiert aus den oberen Hierarchieebenen in die Breite des Unternehmensnetzwerkes, garantieren eine höhere Geschwindigkeit und Spezialisierung. Entscheidungskompetenzen werden unterstützt durch Social Software, die auf analytischer Basis frage- und aufgabenbezogen die richtigen Personen im Unternehmen vernetzt, und Führungskräfte, welche die Rolle von Coaches einnehmen.

 

These 16: Hohe Marktagilität zwingt die Unternehmen zu ständigem Lernen

Klassisches Lernen in Unternehmen und aktuelle Innovationszyklen wie Sommer- und Wintersaison werden Unternehmen im Wettbewerb empfindlich benachteiligen. Die Interessen der Kunden und die Segmentierung der Märkte gehen schneller vonstatten als die Produktentwicklung touristischer Unternehmen. Neue disruptive Player im Markt bauen mit ungewöhnlichen Geschäftsmodellen sehr schnell eine hohe Reichweite auf.

Aufgrund der strategischen Lücke zwischen Markt- und Innovationsgeschwindigkeit müssen sich das Lernen und Entwickeln im Unternehmen massiv verändern: Es braucht ein Denken in “unfertigen” Prototypen (perpetual beta) und eine Kultur des neugierigen Experimentierens in Unternehmen – Fehler sind gewünscht und jeder ist aufgefordert diese zu machen um zu Lernen. Ziel muss sein, mehr Produkte im Markt zu erproben, um sowohl den Innovationsgrad als auch das neu geschaffene Wissen pro Zeiteinheit zu erhöhen.

 

These 17: Orte, Tools und Rituale müssen sich komplett verändern

In Laboren ohne direkten Refinanzierungsdruck und mit dafür freigestellten Ressourcen werden am Ort des Geschehens und unter Zuhilfenahme des internen sowie  externen Unternehmensnetzwerkes neue Produkte und Herangehensweisen entwickelt. Das Vorgehen ist dabei an die Methode des Rapid Prototypings angelehnt – einem iterativen und schnellen Prozess aus Entwicklung und Testing.

Social Software hilft, das bestehende Wissen des gesamten Netzwerkes einzubeziehen und neu geschaffenes Wissen bedarfsorientiert in das Unternehmensnetzwerk einzuspeisen. Orte, Tools und Rituale des Lernens müssen sich komplett verändern – weg von punktuellen Modellen betrieblicher Weiterbildung hin zu ständigem integrativem Lernen im offenen Unternehmensnetzwerk.

 

These 18: Mitarbeiter der Zukunft sind Netzwerker und Komplexitätsverarbeiter

Führungskräfte zeichnen sich nicht mehr durch Entscheidungsgewalt und Privilegien aus, sondern sind Coaches für ihre relevanten Netzwerke. Hierarchisches Führen wird durch Gleichstellung und maximale Transparenz  in virtualisierten Kommunikationsräumen zugunsten einer verstärkten Sachorientierung verdrängt.

Die Fähigkeit dynamische und komplexe Bedingungen zu abstrahieren, das Denken in komplexen Prozessen, das Interesse an ständiger, oft autodidaktischer Weiterentwicklung und die Fähigkeit strukturiert mit enormen Mengen an Wissen und Anforderungen umzugehen, bestimmen das Recruiting der Zukunft. Die Notwendigkeit dieser neuen Schlüsselqualifikationen fordern neue Herangehensweisen in der Ausbildung touristischer Fachkräfte.

Quereinsteiger mit Begeisterung für innovative Themen – und nicht für den Tourismus als Branche –  werden benötigt, um Interdisziplinarität in Teams sicherzustellen.

 

These 19: Macht IT die Reisenveranstalter arbeitslos? – offene Produktion als neues Geschäftsmodell

Prozessautomatisierung durch offene APIs organisiert den Einkauf und die Produktion touristischer Leistungen. Die Kosten für Supply Chain Management und Einkaufsmanagement sinken auf ein Minimum. Die Produktion entsteht dezentral bei den Leistungsträgern. Durch einfach nutzbare Technologien und APIs können Leistungsträger selbst ihre Produkte digitalisieren und über die Marktmacht der etablierten Veranstalter online an den Kunden verkaufen. IT darf nicht mehr länger eine Dienstleistung zur Abbildung von Geschäftsprozessen sein, sondern muss die Transformation von Geschäftsmodellen antreiben.

Reiseveranstalter positionieren sich im Sinne eines “App Store” (TM by Apple) für Reiseangebote – ihre Aufgabe wandelt sich von der Reiseproduktion hin zur Verfügbarmachung von Technologie und hin zur Gewährleistung der Qualität des Angebotes und Sicherheit des Reisenden. Die Beziehung zwischen den bisher etablierten Reiseveranstaltern, Reisemittlern, Datenanbietern und Leistungsträgern wird damit völlig neu und wesentlich direkter geordnet.

Die Zahl der herkömmlichen Pauschalreisen wird  deutlich abnehmen und Portale zur intelligenten, kundengesteuerten Paketierung aus einer Vielzahl touristischer Angebote, werden in Zukunft den Markt bestimmen. Technologie ist kein Selbstzweck, sondern wird radikal aus Kunden- und Partnersicht gedacht. Technologieeinsatz stellt Mittel für Innovation und Entwicklung frei.

Reisebüros müssen sich radikal verändern oder werden den Kräften des digitalen Marktes unterliegen.

 

 

Perspektive: Wissenschaft- und (Markt-)Forschung

 

These 20: Tourismusforschung 0.0: Wir wissen, dass wir nichts wissen!

Branchen-, Umwelt- und Technologiedynamik implizieren einen neuen Erkenntnisbedarf in Wissenschaft und Marktforschung. Fundamentale Fragen der Tourismusforschung wie z.B. die Veränderung der Praxis des Reisens durch neue Technologien und den daraus resultierenden soziotechnischen Konstellationen, sind nahezu unerforscht. Belastbare praxisrelevanten wissenschaftliche Modelle (z.B. Technologie-Benchmarking) und Kennziffern (z.B. KPIs) fehlen bzw. haben noch keine Markt-Awareness.

 

These 21: Die Wissenschaft ist tot – es lebe die Wissenschaft – vor allem im Tourismus

Zur Professionalisierung und Renditesteigerung der Branche muss die Rolle der Tourismuswissenschaft in Universitäten und Fachhochschulen gestärkt werden.

Ein Rückzug der Universitäten aus der Tourismusforschung schadet nachhaltig der Branche. Wertschöpfung und Wertschätzung des Tourismus resultieren aus der Präsenz und der Qualität der Tourismusstudiengänge.  Gerade die Tourismuswissenschaft muss Potenziale der Interdisziplinarität (Betriebswirtschaft, Geographie, Psychologie, Soziologie, etc.) ausschöpfen und in ihrer alltäglichen Wissenschaftspraxis leben.

Auch die Tourismusunternehmen selbst müssen sich interdisziplinärer und folglich näher an Universitäten verschiedeneer Fächer positionieren (Betriebswirtschaft, Wirtschaftsinformatik, IT etc.).

 

These 22: Neue Methoden und Datenquellen liegen auf der Straße

Die Vielzahl der durch neue Technologie entstandenen Forschungsmethoden und Datenquellen werden in Wissenschaft und Marktforschung bislang noch unzureichend genutzt.

Die Digitalisierung wirkt sich nicht nur auf den Tourismus, sondern auch auf die wissenschaftlichen Methoden und Prozesse per se aus. In der Tourismuswissenschaft werden allerdings diese alternativen digitalen Wege von Vermittlung und Publikation (z.B. Open Access) wissenschaftlichen Ergebnisse unzureichend erschlossen. Aufgrund ubiquitär verfügbarer digitaler Daten sind neue wissenschaftliche Forschungsmethoden (z.B. ethnographische Ansätze, Soziale Netzwerkanalysen) notwendig. Bisherige Marktforschungsmethoden (z.B. quantitative Fragebögen) und damit erhobene Daten beschreiben den Konsumenten nicht ausreichend. Es ist stattdessen eine permanente detaillierte Marktbeobachtung notwendig, die das allgemeine Konsumentenverhalten präziser zeichnet.

 

These 23: Kunden- & Technologieorientierung rücken in den Fokus der Tourismusausbildung

Derzeit ist an deutschen Universitäten die Digitalisierung der Gesellschaft und die Auswirkungen  auf den Gast und seine Reise kein expliziter Ausbildungsinhalt. Die Flexibilität von Studienabläufen und Modulbeschreibungen muss der wachsenden Veränderungsdynamik gerecht werden.

 

These 24: Gesucht:
Der Tourismus braucht Wissensarbeiter mit innovativer Ausbildung

Frontale Lehrmethoden der Tourismusausbildung müssen durch innovative Methoden ersetzt werden – von eLearning bis hin zu open innovation Netzwerken. Die Förderung von Eigeninitiative, Kreativität und digitalem kundenorientierten Denken sollen im Fokus der Lehrmethoden stehen. Sie müssen darauf ausgerichtet sein, sozial kompetente und allgemein gebildete Wissensarbeiter mit expliziten Spezialfähigkeiten, der Wissenschaft und der Praxis zur Verfügung zu stellen.

 

These 25: War of talents:
Eine Annäherung von Tourismuspraxis und Tourismusforschung ist unabdingbar

Um High Potentials an die Tourismusbranche heranzuführen und zu binden ist eine intensivere Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft notwendig. Universitäten und Hochschulen sind nur bei intensivem Wissens- und Datentransfer aus der Praxis in der Lage, Absolventen hervorzubringen, die den aktuellen Anforderungen entsprechen. Kurzfristige Auftragsforschung muss durch Investitionsbereitschaft der Branche in langfristiger Grundlagenforschung umgewandelt werden. Gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung ist Grundlage einer zukunftsfähigen und gesunden Tourismuswirtschaft. Institutionalisierte Treffen und Plattformen für einen engeren Austausch beider Seiten sind notwendig.

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